Zur Grabungsgeschichte
Die Grabungsgeschichte des Poblicius-Grabmals begann bereits im Frühjahr 1884 mit der Niederlegung der Vorbefestigung des Severinstores und der mittelalterlichen Stadtmauer.
Im Rahmen der Stadterweiterung wurde ab August 1884 die neue Wohnbebauung am Chlodwigplatz errichtet, beginnend mit dem Haus Chlodwigplatz 28 ( früher Brennerei Hermann, heute Früh im Vee-del ) an der Ecke zum Severinswall, wie das nachfolgende Bild von 1884 zeigt.
Bei den Gründungsarbeiten für die neu zu errichtenden Wohnhäuser fanden sich dort im nordöstlichen Teil des Chlodwigplatzes zahlreiche große Reliefquader, die der Historiker Joseph Klinkenberg zwei / drei verschiedenen Grabbauten zuordnete, die in römischer Zeit an der hier vorbeiführenden Ausfall-straße der Colonia in Richtung Süden gestanden hatten.
Das Wissen über diese Quaderfunde ruhte in den Kölner- und Bonner- Museumsarchiven; ging aber ansonsten in den anschließenden Jahrzehnten verloren.
Im Kriegsjahr 1943 wurden zahlreiche der 1885 am Chlodwigplatz errichteten Wohnhäuser durch Bom-ben und Feuersturm zerstört, darunter auch das Haus meiner Großeltern und Eltern am Chlodwigplatz 24.
Teile des Treppenhauses und der rückwärtige Anbau waren den Flammen entgangen und konnten nach dem Krieg noch zu Wohn- zwecken genutzt werden. Im Jahr 1951 war im Bereich des zerstörten Vorderhauses ebenerdig das Textilgeschäft "Heinrich Gens" neu errich-tet worden.
1965 wurde dann der komplette Wiederaufbau des Hauses geplant. Die Vergrößerung der Bautiefe von 10 auf 13 Meter erforderte ein neues Fundament für die Hausrückseite. Der Architekt machte darauf aufmerksam, dass dieses Fundament tief unter den Kellerfuß-boden geführt werden musste. Ursache war die geologische und geschichtliche Bodensituation, da man 1885 das Haus 24 in den gerade erst zugeschütteten Wallgraben vor der ehemaligen Stadtmauer gebaut hatte.
In den Folgejahrzehnten traten durch den Bau des Hauses in das Schüttungsgebiet des Wall-grabens immer wieder Risse auf, weil man viel zu früh, auf das sich noch setzende Erdreich, gebaut hatte.
Die Fundamente des 1965 geplanten Neubaus mussten folglich, unter das Schüttungsgebiet des 1885 verfüllten Wallgrabens, auf festen gewachsenen Boden herunter geführt werden. Mein Bruder Heinz, von Beruf selbstständiger Kaufmann und ich, damals Maschinenbau-Student, boten dem Archi-tekten an, die dafür erforderliche Sondierungsgrabung im Bereich des neuen Hausrückfundamentes in Eigenleistung durchzuführen.
Schon kurz nach Grabungsbeginn stießen wir auf einen mittelalterlichen Brunnen, der laut Stadt-konservator zur Vorbefestigung des Severinstores gehört hatte. Monate später und drei Meter unter Kellerbodenniveau kam bei Fertigstellung des Fundamentgrabens ein scheinbar grob behauener Stein-quader zum Vorschein. Als auf der Unterseite aber ein Relief sichtbar wurde, legten wir den Quader frei und erkannten in der fast lebensgroßen, figürlichen Darstellung, den römischen Hirtengott Pan.
Erster Fundquader mit dem Leib des Hirtengottes Pan Funddokumentation Gens Nr. 60
Mein Bruder Heinz und ich waren bei unseren Fundamentgrabungen inzwischen nicht mehr alleine. Zu unserem Team gehörten jetzt auch neben Bernhard Sträßer, Architekturstudent an der RWTH Aachen, Toni Hermann, Destillateur und Günther Goldenberg, Lehramtsstudent an der Pädagogischen Hochschule Köln. Später kamen noch Wolfgang Hermann, ebenfalls Maschinenbau-Student und dessen Schwester Elisabeth Bongartz geb. Hermann, von Beruf Erzieherin hinzu.
Neben und unter dem ersten Quader waren beim Freilegen weitere römische Quader zum Vorschein gekommen. Ordnungsgemäß unterrichteten wir das Römisch–Germanische Museum über unsere Funde. Nachdem wir zwei weitere Quader mit Erlaubnis der Museumsleitung freigelegt hatten, erhielten wir ein Grabungsverbot. Als eine offizielle Grabung, die wir der Stadt Köln angeboten hatten, über Monate nicht zustande kam, ergriffen wir und unsere fünf Freunde die Initiative. Wir planten ohne Wissen unserer Eltern und ohne Wissen der Facharchäologen die Grabung in Eigenregie durchzuführen. Die Details zu der dann folgenden Grabung können Sie in meinem Buch "Grabungsfieber" nachlesen.
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In den zwei Jahren Vorbereitung und Grabung hatten wir unter unserem Elternhaus ein statisch sicheres Bergwerk errichtet. Dieses Bergwerk reichte bis in eine Tiefe von neun Metern unter Straßenniveau. Vom Bauaufsichtsamt als statisch einwandfrei und sicher freigegeben, konnte es nach Ende der Grabungstätigkeiten von unseren Besuchern besichtigt werden.
In diesem Bergwerk haben wir über 70 tonnenschwere Reliefquader eines römischen Grabmals geborgen. Darunter vier Quader der Inschrift des Grabmals, die darüber Auskunft gaben, dass dieses Grabmal für den Veteranen Lucius Poblicius errichtet worden war. Schon während der Grabung war die Zusammengehörigkeit vieler Quader erkennbar geworden. So konnte nicht nur die Inschrift rekonstruiert werden, sondern auch zahlreiche Reliefdarstellungen wie Waffen- und Rankenfriese, Kapitelle, eine Mänade und zwei fast komplette Darstellungen des römischen Hirtengottes Pan.
Kurz nach Eröffnung der Ausstellung „Römer am Rhein“ im Mai 1967 gingen wir mit unseren Funden in einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit. Die Presse berichtete nicht nur lokal, sondern auch überregional und international in mittlerweile über 300 Artikeln über unseren Fund (mehr dazu: Presse)
Facharchäologen aus aller Welt und über 15000 Besucher besichtigten die Funde und das Bergwerk in unserem Privatmuseum am Chlodwigplatz.
Große Beachtung fand aber nicht nur das von uns in den Kellerräumen errichtete Privatmuseum mit einer vier Meter hohen Wand, in der wir mit den tonnenschweren Quadern die beiden Pan-Darstellungen rekonstruiert hatten, sondern auch das von uns errichtete Bergwerk, sowie die von uns erstellte zeichnerische Rekonstruktion des Grabmals und die archäologisch fachgerechte Funddokumentation.
Von einem Grabungsverbot, dass anfänglich von der Stadt Köln wegen unzureichender Sicherung des Fundamentgrabens ausgesprochen wurde, war nach Freigabe des Bergwerkes durch das Bauaufsichtsamt und wegen der hohen Bedeutung der Funde, keine Rede mehr.
Gemäß dem "Preußischen Ausgrabungsgesetz von 1914", das bis Juli 1980 gültig war, waren archäologische Grabungen durch Privatpersonen nicht verboten. Das Gesetz besagte weiter, dass archäologische Funde, deren Eigentümer nicht mehr zu ermitteln waren, zu 50% dem Grundstückseigentümer und zu 50% den Findern gehörten. Mein Vater war der Grundstückseigentümer, mein Bruder und ich die Finder. Die Funde zwischen 1965 und 1967 gehörten folglich zu 100% unserer Familie.
Ab 1968 gab es umfangreiche Offerten des Kunsthandels zum Ankauf der Funde - u.a. wurden aus Amerika allein für die Statue des Poblicius eine Million DM geboten.
Alle Angebote wurden von uns angelehnt, da wir weder aus kommerziellen Gründen gegraben hatten, noch die für die römische Stadtgeschichte Kölns so bedeutenden Funde ins Ausland verkaufen wollten. Mit der Stadt Köln einigten wir ins im Jahr 1970 auf 500.000 DM zur Übernahme des gesamten Fundes.
Heute wird das Poblicius-Grabmal als einer der bedeutendsten archäologischen Funde des letzten Jahrhunderts bezeichnet. Dazu tragen u.a. die beiden Pandarstellungen bei. Für sie gibt es keinerlei antike Pendants - sie sind "weltweit einzigartig" und damit von unschätzbarem Wert.